Vorwort
1.
Verkehrsrecht im
Sozialismus
2.1
Ausübung des Luftverkehrs
im Rahmen der Hauptverwaltung Zivile Luftfahrt (HZL)
2.2
Innerstaatliches
Luftverkehrsrecht
3.
Luftverkehrsabkommen mit
dem Ausland
3.1
Rechtsbeziehungen mit dem
COMECON-Staaten: Berliner Vereinbarung
3.2
Die Gegenseitige
Generalvertretung
3.3
Die Gegenseitige
Gewährung von Dienstleistungen
3.6
Die periodischen
Konferenzen der Partnerstaaten
3.7
Rechtsbeziehungen der DDR
mit Staaten, die nicht dem COMECON angehörten
3.8
Bemühungen
nichtsozialistischer Fluggesellschaften, Berlin/Schönefeld anzufliegen
Das einheitliche Verkehrswesen der DDR war
ein Teilsystem des volkswirtschaftlichen Gesamtsystems und wurde aus den
verschiedenen Teilsystemen Straßenverkehr, Binnenschifffahrt, Seeschifffahrt
und Zivile Luftfahrt gebildet. Innerhalb dieser
Teilsysteme gab es wiederum zahlreiche Teilgebiete, die den gleichen
Gesetzmäßigkeiten und Besonderheiten unterlagen. Somit unterschied sich das
sozialistische Verkehrswesen vom nichtsozialistischen dadurch, dass es ein
einheitliches, geplantes Verkehrssystem bildete.
Im Jahre 1961 wurde in der DDR ein Schritt
auf dem Gebiet der Schaffung eines Einheitlichen sozialistischen Verkehrsrechts
getan, indem die "Ordnung über die Aufgaben und die Arbeitsweise der
örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe" und die "Verordnung
über die Planung und Zusammenarbeit beim Gütertransport beschlossen wurden. Mit
diesen Gesetzen wurden Organisationsformen geschaffen, die notwendig waren, um
die Lösung der Aufgaben im Transportwesen voranzutreiben. Diese Verordnungen
sollten allen im Verkehrswesen Beschäftigten klarmachen, dass die Planung und
Leitung des Transportwesens nicht nur eine Angelegenheit der Verkehrsorgane,
sondern gleichzeitig eine Aufgabe der Organe des Staates und der Wirtschaft
waren. Bei der Entwicklung des sozialistischen Verkehrsrechts der DDR mussten
auch Rechtsnormen für die Zusammenarbeit zwischen den Verkehrsträgern und der
Wirtschaft geschaffen werden.
Um das Verkehrsrecht zu vereinfachen, wurden
zwischen den sozialistischen Staaten einheitliche Normen vereinbart. Bestanden
derartige Normen nicht, so konnten die Gerichte der sozialistischen Länder die
notwendigen Entscheidungen über das anzuwendende Recht nicht treffen. Die
Anwendung von Rechtsnormen in den einzelnen sozialistischen Staaten war
schwierig, da erhebliche Unterschiede in Bezug auf den Anknüpfungspunkt
bestanden. In den sozialistischen Ländern mussten die Normen für die einzelnen
Verkehrszweige inhaltlich weitgehend übereinstimmen, bzw. in ihren Grundsätzen
angeglichen werden. Deshalb konnten Sonderregelungen nur getroffen werden, wenn
dies den spezifisch technischen, technologischen oder organisatorischen
Bedingungen entsprach. Es war ein Angleichungsprozess in den COMECON-Staaten
(Council for Mutual Economic
Assistance-Wirtschaftsorganisation der Länder des Ostblocks auch RGW) sichtbar,
da sich die ideologischen, politischen und ökonomischen Grundlagen der
Rechtsgestaltung im Transportwesen ähneln, so dass es viele Berührungspunkte
gab.
Nach dem 2. Weltkrieg entwickelte sich der
Luftverkehr sehr rasch. Seine politische und ökonomische Bedeutung führte
schließlich dazu, dass man in Luftverkehrskreisen dem Luftrecht
eine große Bedeutung beimaß. Dies war - wie auch in anderen sozialistischen
Staaten - in der DDR der Fall. Hier folgte man auf luftrechtlichem Gebiet den
Bestimmungen und Erlassen, die vor 1945 in Deutschland in Kraft waren. Für die
Behörden der DDR war es nicht möglich, in so kurzer Zeit für diesen
Verkehrszweig neue sozialistische Rechtsnormen zu schaffen. Um ein eigenes
sozialistisches Luftrecht zu erarbeiten, waren auch noch gewisse Erfahrungen
notwendig; außerdem mussten Dokumente und Materialien der sozialistischen
Staaten gesammelt werden. Die Entwicklung des Luftrechts in der damaligen DDR
(Betrachtungszeitraum bis Ende der 60-iger Jahre) ließ 3 Etappen erkennen:
1. Normen-Übernahme aus der Zeit vor dem 2.
Weltkrieg;
2. Belange der Zivilluftfahrt in anderen
gesetzlichen Bestimmungen;
3. Sondernormen, z.B. die Deutsche Bauordnung
vom 1. August 1957.
Da der V. (1958) und VI. (1963) Parteikongress der SED
darauf hingewiesen hatten, die sozialistischen
Rechtsnormen zu vervollkommnen und in Übereinstimmung zur
gesellschaftlichen Entwicklung der DDR zu bringen, wurde das Luftfahrtgesetz
vom 31. Juli 1963 erlassen. Dieses Gesetz über die Zivilluftfahrt war ein
Komplexgesetz, welches es auch in anderen Bereichen gab, so z.B. im Post- und
Fernmeldewesen der DDR. Es erfasste alle mit der Zivilluftfahrt der DDR
zusammenhängenden Fragen und entsprach den veränderten ökonomischen und
gesellschaftlichen Verhältnissen. Außerdem enthielt das Gesetz das Prinzip der
Planung und Leitung der Volkswirtschaft, die Einbeziehung der Arbeiter in die
Planung und Leitung der Zivilluftfahrt und das Prinzip Einzelleitung und der
Verantwortung.
Das Gesetz vom 31. Juli 1963 hatte
Ähnlichkeiten mit den Regelungen anderer Länder, mit dem sowjetischen
Luftfahrtkodex von 1935, dem tschechoslowakischen Gesetz von 24. September 1956
und dem Luftfahrtgesetz der SR Rumänien vom 5. Dezember 1953. Der sowjetische
Luftkodex von 1961 beeinflusste das Luftfahrtgesetz der DDR vom 31. Juli 1963
sehr stark. Es bestanden jedoch ganz erhebliche Unterschiede in den nationalen
Rechtsauffassungen, besondere in zivilrechtlichen Fragen, wie Haftungssystem,
Haftungsgrenzen und Versicherung. Ebenso wurde die Luftverkehrsordnung und das
Luftverkehrsgesetz der BRD, das Luftfahrtgesetz der Schweiz von 1947 und
Österreich von 1957 ausgewertet. Außerdem wurden Sondergesetze studiert, wie
z.B. die Frage der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit für Personen- und
Sachschäden, das tschechische Gesetz vom 11. Juli 1951 über die Verantwortlichkeit
für Schäden, die durch Verkehrsmittel verursacht wurden. Somit hatte die DDR
nicht nur die Gesetze sozialistischer, sondern auch nichtsozialistischer
Staaten bei der Formulierung des Luftfahrtgesetzes vom 31. Juli 1963
berücksichtigt.
Im § 1 des Luftfahrtgesetzes vom 31. Juli
1963 wurde die uneingeschränkte
Souveränität über dem Luftraum der DDR hervorgehoben. Das sowjetische
Luftfahrtgesetz vom 31. Dezember 1961 und auch das tschechoslowakische
Luftfahrtgesetz von 1956 betonen in § 1 den gleichen Grundsatz der absoluten
und ausschließlichen Staatshoheit im Luftraum. Im ungarischen Luftfahrtgesetz
wurde die Bestimmung, wobei die VR Ungarn die volle und ausschließliche
Souveränität über Wasser und Festlandterritorium hat, nicht aufgenommen. Das
geschah aus grundsätzlichen Erwägungen. Nach Ansicht ungarischer Juristen
gehörte die Bestimmung der Gebietshoheit in den Bereich des Staatsrechts und
eine bloße Feststellung des Souveränitätsprinzips in einem Luftverkehrsgesetz
war damit überflüssig.
Nach § 48 Art. 1 des Luftfahrtgesetzes vom
31. Juli 1963 hatte der Halter eines Luftfahrzeuges den Schaden zu ersetzen,
der dadurch entstand, dass beim Betrieb eines Luftfahrzeuges eine Person
gesundheitlich geschädigt, körperlich verletzt oder getötet wurde. Ferner hatte
er den Schaden zu ersetzen (§ 48Art. 2), der dadurch entstand, dass Sachen, die
nicht Gegenstand eines Transportvertrages waren, beim Betrieb eines
Luftfahrzeuges beschädigt oder gar zerstört wurden. Es entfiel aber die
Verantwortlichkeit (§ 48 Art. 3), wenn der Schaden vorsätzlich oder grob
verursacht wurde und den Halter des Luftfahrzeuges kein Verschulden traf. Die
Bestimmungen der materiellen Verantwortlichkeit entsprachen denen der VR
Ungarn.
In einer Generalklausel hatte das Zivilgesetzbuch
der UdSSR von 1922 den Grundsatz der Gefährdungsverhaftung ohne Rücksicht auf
Verschulden eingeführt, der seit 1926 auch auf staatliche
Wirtschaftsunternehmungen angewandt wurde. Diese allgemeine Vorschrift, die
auch 1962 in das neue Luftfahrtgesetz übernommen wurde (Art. 90), gestattete
den Entlastungsbeweis in Fällen höherer Gewalt oder Selbstverschuldens.
Das Warschauer
Abkommen wurde von der DDR seit dem 1. September 1955
angewandt, ebenso das "Protokoll vom 28. September 1955 zur Änderung des
Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im
internationalen Luftverkehr" (Warschauer Abkommen in der Fassung
von Den Haag 1955).
Die HVZL war eine Abteilung des
Verkehrsministeriums. Bis 1956 wurden die Aufgaben der Zivilen Luftfahrt der DDR von verschiedenen Behörden
wahrgenommen, die sie selbständig und auch unabhängig voneinander lösten.
Anfang 1958 beschloss der Ministerrat der DDR,
die staatliche Leitung und Überwachung der Zivilen
Luftfahrt der DDR der HVZL zu übertragen. Ganz besonders hatte die HZL der
Durchsetzung der Beschlüsse der Volkskammer, der Erlasse
des Staatsrates,
der Verordnungen des Ministerrates und den Anordnungen und Weisungen des Ministers für Verkehrswesen
zu folgen.
Der HZL unterstand die Fluggesellschaft
INTERFLUG. Seit dem 1. Januar 1965 war die HVZL verantwortlich für die
verkehrspolitischen, wirtschaftlichen und technisch-wissenschaftlichen Aufgaben
im Luftverkehr.
Im Neuen Ökonomischen System der
Planung und Leitung der Volkswirtschaft sollten
die Wirtschaftsverträge so gestaltet werden, dass eine Steigerung der
Produktion eintrat. Dies war auch bei den Verträgen zwischen der Abteilung
Wirtschaftsflug der INTERFLUG und den
sozialistischen Landwirtschaftsbetrieben
beabsichtigt.
Während der Wirtschaftsflug zwischen 1957 und
1964 nur Einzelverträge mit den landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften (LPG)
geschlossen hatte, wurden ab 1965 ganzjährige Verträge mit den LPG und den Bäuerliche Handelsgenossenschaft
(BHG) vereinbart.
In der DDR mussten alle Verträge der Volkseigenen Betriebe (VEB)
vor dem 31. Januar jeden Jahres abgeschlossen werden. So hatten die BHG/LPG mit
dem Wirtschaftsflug große Leistungsverträge vereinbart. Der Vorteil bei großen
Vertragsabschlüssen bestand darin, dass der Wirtschaftsflug nur einen Vertrag
vorzubereiten und abzuschließen hatte, der eine große Hektarfläche umfasste,
statt viele Verträge zu schließen, die kleinere Flächen umfassten. Während die
Fläche bei Einzelverträgen oft nur 300 Hektar groß war, betrug sie bei
Verträgen mit den LPG/BHG bis zu 5000 Hektar.
Bei Vertragsabschlüssen zwischen dem
Wirtschaftsflug und den LPG/BHG konnte man nicht einen ganz konkreten Termin festlegen,
da dieser an meteorologische Bedingungen gebunden war. Man musste also den
Besonderheiten der Landwirtschaft Rechnung tragen.
Der Wirtschaftsflug war verpflichtet,
einwandfreie Qualität in seiner Arbeit zu garantieren. So wurde das Landwirtschaftsflugzeug Z-37
konstruiert, das genau diese Leistungen erbringen sollte. Nach dem Gesetz waren
die Vertragspartner bei einer Vertragsverletzung verpflichtet, eine
Mängelanzeige zu erstatten, damit der Schaden geschätzt werden konnte. Der
Garantiezeitraum war bei jedem Vertrag ein anderer. Während er bei den
Schädlingsbekämpfungsarbeiten nur 1 - 3 Monate galt, begann er bei der
Herbstdüngung bereits im Oktober und endete im Juli des darauf folgenden
Jahres.
Die LPG/BHG mussten die Verträge einhalten,
da sie ansonsten die materiellen Folgen der Vertragsverletzung tragen mussten.
Die Schadenersatzbestimmungen sollten die materiellen Nachteile ausgleichen,
die der Wirtschaftsflug oder die LPG/BHG erleiden konnten. Dazu zählten sowohl
die Kosten, die bei der Beseitigung des Schadens entstanden als auch der
entgangene Gewinn. So konnten die die LPG/BHG vom
Wirtschaftsflug neben einer Vertragsstrafe den Betrag in Rechnung stellen, der
ihnen durch den Nichtverkauf der geplanten Landwirtschaftlichen Erzeugnisse
entstand, wenn der Wirtschaftsflug z.B. die Flugzeuge zu spät oder überhaupt
nicht einsetzte, wenn z.B. Ersatzteile fehlen.
Der Wirtschaftsflug konnte andererseits von
den LPG/BHG Schadenersatz für die unnötige Verlegung von Flugstationen
verlangen und ebenso die Kosten für die ausgefallenen Flugstunden.
Die DDR war nicht Mitglied in der ICAO oder
der IATA. Unter den COMECON- Staaten gehörten die VR Polen (4. April 1947), die
CSSR (4.April 1947) und die SR Rumänien (30. April 1965) , die VR Bulgarien (3.
Juli 1967), die VR Ungarn (30. Oktober 1969) der ICAO an. Die
Fluggesellschaften LOT und CSA waren Mitglieder der IATA. So wie die DDR, so
gehörten die UdSSR, die VR Albanien, die VR Mongolei, die VR Korea, die VR
Vietnam und die VR China nicht der ICAO und ihre Fluggesellschaften nicht der
IATA an.
Weiter war die DDR nicht Mitglied des
International Agricultural Aviation Centre (IAAC), mit Sitz in Wageningen/Niederlande.
Diese Vereinigung befasste sich mit der Förderung des Einsatzes von
Luftfahrzeugen in der Land- und Forstwirtschaft und im Gartenbau.
Außerdem wurden internationale Kongresse und
Arbeitsgruppen organisiert, die über technische Fragen berieten. An den
Tagungen nahmen Beobachter der DDR teil.
Seit 1958 war die INTERFLUG vollberechtigtes
Mitglied der Société
Internationale de Telecommunications Aeronautiques
(SITA) mit Sitz in Paris. Sie hat als Aufgabe, die Fernmeldeverbindungen
ihrer Mitglieder zu koordinieren und die Übermittlung von Nachrichten zu
gewährleisten. Ebenso war die DDR seit dem 1. Januar 1969 Mitglied der international
Civil Airport Association
(ICAA).
Im Jahre 1955 schloss die DDR mit der VR
Polen, der SR Rumänien, der VR Bulgarien, der CSSR, der VR Ungarn und der UdSSR
Luftfahrtabkommen; weitere folgten 1960 mit der SFR Jugoslawien und der VR
Albanien. Außerdem unterzeichneten die COMECON-Mitgliedstaaten zwischen 1950
und 1960 mehrere Vereinbarungen/Verträge. Im Jahr 1956 wurde die
"Vereinbarung über Luftbeförderungen und Gegenseitige Bedienung"
zwischen der Hauptverwaltung der Zivilen Luftfahrt der UdSSR (AEROFLOT)
und der damaligen DEUTSCHEN
LUFTHANSA (der späteren INTERFLUG) geschlossen.
Am 8. Juni 1957 unterzeichneten die LOT,
MALEV, TABSO
(die spätere BALKAN) und TAROM
das "Abkommen über Gegenseitige Zusammenarbeit und Gegenseitige
Generalvertretung" und dass "Abkommen über die gemeinsame Nutzung von
Fluglinien und über den Verrechnungsmodus der daraus erzielten Einnahmen“.
Diese
beiden Abkommen traten am 1. Juli 1957 in Kraft.
Der COMECON ( auch RGW-Rat für gegenseitige
Wirtschaftshilfe) vereinigte und koordinierte die Anstrengungen der sozialistischen
Staaten zur planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft, ebenso die
Beschleunigung des volkswirtschaftlichen und technischen Fortschritts in diesen
Ländern. So zielte die Zusammenarbeit der COMECON-Mitgliedsstaaten nicht auf
die Ablösung des Systems der bilateralen Luftverkehrsabkommen hin, sondern
sollte vielmehr die zweiseitige Zusammenarbeit der Partner auf der Gebiet des
Internationalen Luftverkehrs fördern. Im COMECON galt das Prinzip der
Einstimmigkeit, d.h. die Mitglieder konnten ebenso erklären, dass sie an
bestimmten Fragen und Angelegenheiten nicht interessiert waren.
Die Empfehlungen waren also nicht
rechtswirksam, sie mussten erst in das nationale Recht des betreffenden Staates
transformiert werden. Dar COMECON war kein supranationales Organ, sondern
vielmehr eine kollektive Organisation von selbstständige Staaten. Folgende
Organe beschäftigen sich im COMECON mit Fragen der Zivilluftfahrt:
Alle Mitgliedsstaaten waren in den
Ausschüssen des COMECON durch ständige Kommissionen vertreten. Der
Verkehrsminister eines der Mitgliedsstaaten fungierte als Leiter der Ständigen
Kommission für Transport. Sollten besondere Fragen zu klären und Probleme zu
lösen gewesen sein, so konnte der Leiter der Ständigen Kommission für Transport
jederzeit die ständigen bzw. die nichtständigen Arbeitsgruppen einberufen.
Nur die Ständige Kommission für Transport
konnte neben Empfehlungen auch Beschlüsse fassen. Im Vordergrund dieser
Zusammenarbeit standen gemeinsame Interessen, so z.B. auf den Gebieten der
wissenschaftlichen-technischen Entwicklung der Ökonomie des Luftverkehrs, der
Flugsicherung oder der Ersatzteilversorgung der Flugzeuge.
Die Sektion V beschäftigte sich dagegen nur
mit Fragen des Luftverkehrs. Sie hatte keine Befugnisse, sondern bereitete nur
Empfehlungen und Beschlüsse auf dem Gebiet des Luftverkehrs für die Ständige
Kommission für Transport vor.
Die Sektion V des COMECON tagte im Juni 1968
In Kiew/UdSSR. Auf der Tagung wurde festgestellt, dass die
COMECON-Mitgliedsstaaten insgesamt 212 internationale Luftverkehrsabkommen
geschlossen hatten und im Jahre 1967 zu insgesamt 51 Staaten
Luftverkehrsverbindungen bestanden.
Am 27. Oktober 1965 unterzeichneten die
Generaldirektoren der AEROFLOT, INTERFGLUG, LOT, M ALEV, MONGOFLOT, TABSO ( der
späteren BALKAN ) und der TAROM die "Berliner Vereinbarung".
Dieses Abkommen umfasste:
· die
Gegenseitige Generalvertretung
· die
Gegenseitige Gewährung von Dienstleistungen
· die
Haftung für Schäden und
· die
Pool-Vereinbarungen.
Sie bestimmte, dass jede Fluggesellschaft in
ihrem Land als Generalvertreter die andere Fluggesellschaft vertrat. Das
Luftverkehrsunternehmen eines Staates konnte aber in einem Staat Rechte und
Befugnisse nur dann ausüben, wenn es der andere Staat gestattete.
Die I NTERFLUG konnte z.B. ohne besondere
Erlaubnis des Gastlandes keine Beförderungsleistungen für ihre Linien
verkaufen. Eine strenge Beschränkung der Verkaufsrechte auf das eigene Land des
Beförderers erschwerte aber den Luftverkehr außerordentlich. Nach § 6 Art. 2
der Berliner Vereinbarung war die INTERFLUG beispielsweise berechtigt, in und
außerhalb der DDR sowohl Flugscheine, Luftfrachtbriefe und Umtauschanweisungen
für die Fluglinien der anderen Partner auszustellen.
Die Fluggesellschaften zahlten sich
gegenseitig für ihre Tätigkeit als Generalvertreter ein Provision, die in der
Regel 10 % beim Verkauf von Passagierbeförderungen und 7 1/2 % beim Verkauf von
Frachtbeförderungen betrug. Es handelte sich dabei um einen Komplex von Rechten
und Pflichten. So hatte der Generalagent alle in seinen Kräften stehenden
Möglichkeiten auszuschöpfen, damit die Flugzeuge der Partner mit der
größtmöglichen Auslastung durch Fluggäste, Fracht und Post flogen. Ebenso
musste er für diese Linien werben, hatte die Passagiere und auch die
Frachtkunden der anderen Partner zu informieren und ihre Reservationswünsche zu
buchen. Jede Fluggesellschaft hatte also als Generalagent so zu handeln, wie er
auch für die eigene Linie handelte.
Darunter ist besonders die Bodenabfertigung
zu verstehen, von deren Funktionsfähigkeit in entscheidendem Umfang sowohl die
Sicherheit, die Pünktlichkeit und der Service beeinflusst wurden. Einheitliche
Verfahren für die Bodenabfertigung wurden in der Berliner Vereinbarung
festgelegt. Jeder Partner war also gegenüber den anderen Partnern für die mit
der Gewähr von Dienstleistungen übernommenen Pflichten auch dann
verantwortlich, wenn auch einzelne Pflichten von anderen Betrieben des Landes
wahrgenommen wurden. So war z.B. die INTERFLUG gegenüber anderen Partnern
materiell verantwortlich, wenn deren Flugzeuge auf dem Flughafen Berlin/ Schönefeld
vom VEB
Minol verspätet oder
auch mangelhaft betankt wurden und ihnen dadurch ein Schaden entstand. Nicht in
allen Ländern führten die Luftverkehrsunternehmen auch selbst die volle
Bodenabfertigung durch. So erfolgte sowohl in der VR Bulgarien als auch in der
DDR die Betankung durch selbstständige Unternehmen. Die gewährten
Dienstleistungen der Berliner Vereinbarung wurden in drei Gruppen unterteilt:
n administrative
Dienstleistungen
n kommerzielle
Dienstleistungen
n technische
Dienstleistungen
Zu den administrative Dienstleistungen gehörten z.B.
die Verpflichtungen des abfertigenden Partners, alle in Zusammenhang mit Start,
Landung, Flugzeugverzögerung und
Beladung notwendigen Nachrichten mit seinen
Fernmeldeeinrichtungen dem befördernden Partner zu übermitteln.
Unter kommerziellen Dienstleistungen gehörten die
gesamten Aufgaben welche die reibungslose Abfertigung von Fluggästen, Gepäck,
Fracht und Post beim Start und bei der Landung betrafen. Außerdem schloss die
INTERFLUG am 22. November 1958 für sämtliche Güterbewegungen im
grenzüberschreitenden Verkehr Verträge mit der VEB DEUTRANS. Diese Regelung
erwies sich ökonomisch als nicht vorteilhaft, da sie einen erheblichen
Mehraufwand ohne den erhofften Nutzen brachte. Eine Befreiung der INTERFLUG von
rein kommerziellen Tätigkeiten trat nicht ein, und außerdem verursachte sie den
Kunden höhere Kosten.
Die Verrechnung der internationalen
Beförderungsleistungen war recht kompliziert, Grundlage dafür waren die
zwischen den COMECON-Mitgliedsstaaten bestehenden Zahlungs- und Tarifvereinbarungen.
Untereinander konnten die Partner nur nach dem Netto- oder Bruttoprinzip
abrechnen.
Die technischen Dienstleistungen nahmen einen
breiten Raum ein. So war eine Regelung der Fragen, welche die Flugsicherung
anbelangten, bei der Berliner Vereinbarung nicht nötig, da dieser
Aufgabenkomplex schon von den staatlichen Organen der einzelnen Mitgliedstaaten
auf der Grundlage von Empfehlungen der ständigen Kommission für Transport des
COMECON vereinheitlicht wurde.
Ersatzteillager auf Flughäfen wurden von den
COMECON-Staaten in nichtsozialistischen Ländern eingerichtet. Für die
Einrichtung und den Betrieb eines solchen Ersatzteillagers war jeweils eine
Fluggesellschaft verantwortlich. So legte die INTERFLUG z. B. in Damaskus ein
Ersatzteillager an. Jede Partner-Fluggesellschaft konnte bei Bedarf die
notwendigen Ersatzteile erhalten, musste aber dafür sorgen, dass die
entnommenen Ersatzteile wieder ersetzt wurden. Diese Ersatzteillager bestanden
damals in Algier, Amsterdam, Athen, Bagdad, Brüssel, Damaskus,
Frankfurt/Main, Helsinki, Kabul, Kairo, Kopenhagen, London, Paris, Rabat,
Stockholm, Teheran, Tunis, Wien und Zürich.
Die Partner hatten Grundsätze für die
Behandlung von Schadenersatzansprüchen, sowohl von Passagieren als auch von
Luftfrachtkunden, festgelegt. Da die COMECON-Mitgliedsländer im
Fall der Haftung sowohl das Warschauer Abkommen als auch das
Warschauer Abkommen in der Fassung von Den Haag von 1955 anwandten,
erleichterte diese einheitliche Grundlage die Zusammenarbeit bei Reklamationen
und Schadenersatzansprüchen. Demzufolge konnte die Haftung als Innenverhältnis
zwischen den sozialistischen Staaten geregelt werden.
Neben den multilateralen internationalen
Beziehungen der sozialistischen Länder gab es viele zweiseitige,
zwischenstaatliche Vereinbarungen. Diese Vereinbarungen betrafen z.B. Fragen
des Luftverkehrs, ebenso die Koordinierung von bestimmten Fluglinien, die
Prüfung gemeinsamer Auslandsvertretungen, eine Überlassung von
Beförderungsleistungen und eine Abstimmung der Beförderungspreise auf
bestimmten Strecken. Da man anstrebte, die Flugzeuge so ökonomisch wie
nur möglich einzusetzen und Parallelkonkurrenzen zu vermeiden, wurden Pools
eingeführt.
Seit dem 8. Juni 1957 war die INTERFLUG
Mitglied des so genannten "Sechser-Pool", der die
kommerzielle Grundlage des Luftverkehrs zwischen der DDR, der CSSR,
der VR Polen, der VR Ungarn, der VR Bulgarien und der SR Rumänien
verkörperte.
Der Pool-Vertrag der INTERFLUG mit der CSA,
LOT, MALEV, TABSO (der späteren BALKAN) und der TAROM betraf den
gemeinsamen Betrieb der folgenden Linien:
Berlin/Schönefeld - Prag - Budapest -
Bukarest und zurück;
Warschau - Budapest - Sofia und zurück;
Warschau - Budapest - Bukarest und zurück.
Am 26. März 1960 schlossen die AEROFLOT und
die INTERFLUG einen Pool-Vertrag auf der Fluglinie:
Berlin/Schönefeld - Moskau - und Moskau -
Berlin/Schönefeld;
am 1. April 1960 folgte ein Pool-Vertrag
zwischen der JAT und der INTERFLUG über den gemeinsamen Betrieb der Linien:
Berlin/Schönefeld - Belgrad - und Belgrad-
Berlin/Schönefeld.
Bei diesen Pool-Verträgen wurden alle
Einnahmen nach dem Leistungsanteil verteilt. Da die Berechnung des
Leistungsanteils im Sechser-Pool außerordentlich kompliziert war, haben Partner
eine Verrechnungsgruppe eingesetzt, deren Sitz Budapest war.
Die damalige Zusammenarbeit der
Partner-Luftverkehrsgesellschaften brachte bessere ökonomische Ergebnisse.
Jährlich trafen sich die Generaldirektoren der Luftverkehrsunternehmen
abwechselnd in einem der Mitgliedsstaaten zu einer Generalkonferenz, um neben Grundsatzentscheidungen
auch gemeinsame Aufgaben bis zur nächsten Konferenz festzulegen. Dieser
Konferenz schloss sich noch eine Tagung der technischen und kommerziellen
Direktoren an. Neben diesen Konferenzen wurden noch Spezialtagungen abgehalten
so z.B. die Konferenz der Buchungsleiter, die Konferenz zur Koordinierung der
Flugpläne, die Konferenz der Leiter der Abteilung Presse und Werbung, die
Konferenz der Leiter der Abteilung Betreuung und Passagierbeförderung.
Zwischen dem Zeitraum der Haupttagungen
übernahm jeweils eine Fluggesellschaft der Partnerländer die Aufgaben bis zur
nächsten Konferenz. Im Zeitraum 1967/68 war es beispielsweise die INTERFLUG.
Während sich der internationale Luftverkehr
der INTERFLUG bis zum Jahre 1963 ausschließlich auf die sozialistischen Länder
beschränkte, vollzog sich in den nächsten Jahren eine Veränderung.
Im Verlauf der außenpolitischen und Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR zu den
arabischen und afrikanischen Staaten wurden Luftverkehrsabkommen im Jahre 1965
mit der Vereinigten Arabischen Republik und Syrien, 1966 mit
Guinea, Mali, dem Irak und Algerien, 1967 mit Kuba, 1968 mit dem Sudan und 1969
mit dem Südjemen und Sierra Leone geschlossen.
Außerdem wurde seit 1964 von Zypern und seit 1967 vom Libanon eine Lizenz zur
Durchführung eines Flugliniendienstes von Berlin/Schönefeld nach Nikosia
bzw. Beirut gewährt.
Insgesamt hatte die DEUSCHE LUFTHANSA ( die
spätere INTERFLUG) seit 1956 48 Interline-Verträge, 35
Generalvertretungsabkommen und 8 Pool-Verträge mit sozialistischen und
nichtsozialistischen Fluggesellschaften geschlossen. Im November 1969 wurde das
erste Interline-Abkommen mit
einer amerikanischen Fluggesellschaft, der EASTERN AIRLINES,
vereinbart.
Die INTERFLUG führte 1969 eine Reihe
von billigen Flugpauschalreisen
zwischen Berlin/Schönefeld und Wien, Linz, Graz, Salzburg und Klagenfurt durch.
Ebenso wurden diese zwischen Dresden und Wien, Linz, Graz, Salzburg
und Klagenfurt durchgeführt. Eine Pauschalreise, die sowohl
Flug, Transfer in Berlin/Schönefeld und eine Stadtrundfahrt mit zwei
Übernachtungen und Frühstück einschloss, kostete von Wien nach
Berlin/Schönefeld ÖS 995, von Klagenfurt nach Berlin/Schönefeld ÖS 1280, von
Wien nach Dresden ÖS 810. Außer diesen Pauschalreisen fanden von Wien
aus noch drei 1 4-Tage-Pauschalreisen an die Ostsee für ÖS 2590 statt.
Außer der AUA, die Linienflüge zwischen
Berlin/Schönefeld und Wien im Jahr 1971 aufgenommen hatte, waren auch andere
nichtsozialistische Fluggesellschaften an solchen Linienflügen interessiert.
Die TUNIS
AIR bot Ferienflüge von Berlin/Schönefeld
nach Nordafrika an, deren Tarife um rund 30 % unter denen alliierter
Fluggesellschaften lagen, die von Berlin/Tempelhof oder Berlin/Tegel abflogen.
Die AUA warb damit, dass Westberliner Urlauber viel schneller und zugleich
billiger von Berlin/Schönefeld aus in die Alpenkurorte fliegen konnten. Als
erste nichtsozialistische Fluggesellschaft führte die dänische
Bedarfsfluggesellschaft STERLING
AIRWAYS bereits im Sommer 1969 "Studentenflüge"
zwischen Skandinavien und Berlin/Schönefeld durch.
Der SAS wurde die 3. und 4. Freiheit der
Lüfte von der HZL nach Berlin/Schönefeld gewährt, ohne dass die
Fluggesellschaft anfänglich davon Gebrauch machte. Ebenso erhielt die KLM von
der HZL die Genehmigung, ab dem 6. Juni 1969 Nurfracht-Bedarfsflüge
zwischen den Niederlanden und dem Flughafen Berlin/Schönefeld durchzuführen.
Die Luftkorridore nach Berlin/West durften
nur durch amerikanische, französische und englische Fluggesellschaften
beflogen werden. Diese drei Luftkorridore, welche die Flughäfen
Berlin/Tempelhof und Berlin/Tegel mit den Flughäfen Hamburg, Hannover und
Frankfurt/Main verbanden, waren je 32 km breit. Ein Kreuzen dieser drei Luftkorridore
durch Verkehrsflugzeuge war untersagt.
Dadurch wurde der Inlandflugverkehr der DDR
stark behindert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Alliierten nur bereit, eine
Ausnahme zu machen. Die polnische LOT, welche Berlin/Schönefeld anflog, durfte die
Luftkorridore für Flüge nach Paris, Brüssel und Amsterdam benutzen.
Mehrmals wöchentlich überflogen die Flugzeuge
der SAS das Gebiet der DDR auf den Flügen von Prag und Wien, dem Nahen Osten
und nach Südamerika. Die INTERFLUG überflog ebenfalls bei Messe- und
Bedarfsflügen nach Finnland den skandinavischen Luftraum.
Das Interesse der INTERFLUG, Nachfrage nach
ihren Flugleistungen in Berlin/West zu wecken, ging daraus hervor, dass sie
einen eigenen Grenzübergang
an der Rudower Chaussee eröffnete, wo Ausländern bei Vorlage des
Flugscheins ein Transitvisum gewährt wurde. So wurde der Transitverkehr
zwischen dem Flughafen Berlin/Schönfeld und Berlin/West erleichtert.
Im Jahr 1967 passierten rund 100 000
Fluggäste den Grenzübergang. Seitdem nahm die monatliche Quote stetig zu.
So flogen bald ein Großteil aller
Flugtouristen aus Berlin/West über Berlin/Schönefeld in ihren Urlaubsort,
welche sich in der SR Rumänien, der VR Bulgarien und UdSSR befanden.